
Rede Tariftreuegesetz
Anrede,
ich habe immer wieder gesagt, dass der Entwurf der CDU-FDP für ein Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz was den Vergabeteil angeht, Makulatur ist.
Notwendige Regelungen gegen Dumpingkonkurrenz, Dumpinglöhne und für Tariftreue und Mindestlöhne sucht man vergebens – das war aber auch nicht anders zu erwarten.
Meine Einschätzung hat sich in der Anhörung bestätigt.
Zunächst möchte ich feststellen, dass alle Anzuhörende – bis auf eine Ausnahme – festgestellt haben, dass alle fünf Entwürfe verfassungsrechtlich und europarechtlich juristisch unbedenklich sind.
Das ist ja von Seiten der CDU und FDP bei der Einbringung der Entwürfe ausdrücklich bestritten worden.
Prof. Dr. Kemper bezog sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das ausdrücklich auf das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip abzielte.
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes sind alle Kriterien zulässig, die unsere Sozialsysteme stärken und damit dem Sozialstaatsprinzip entsprechen.
Da gehören nach meiner Auffassung auch Tariftreue und der vorgeschlagene Mindestlohn dazu.
Viele Anzuhörende wie Prof. Dr. Kempen, Rechtsanwalt Körcher von Kanzlei Gassner, Roth und Siederer sowie die Vertreter der Gewerkschaften haben dem CDU-FDP Entwurf eine rein deklaratorische Wirkung was den Tariftreuebereich angeht, attestiert.
Denn der Entwurf der Koalition bezieht sich lediglich auf die Einhaltung von Allgemeingültigkeitserklärungen von Tarifverträgen und das Arbeitnehmerentsendegesetz.
Und das – mit Verlaub – ist eine Selbstverständlichkeit, weil es an anderer Stelle längst geregelt ist.
Es muss daher nicht noch einmal in einem Landesgesetz aufgeführt werden.
Die Flächentarifbindung sank übrigens in den letzten Jahren in Dt. West von 72 auf 56% und im Osten von 56 auf 38%. (IAB Betriebspanel)
Anwalt Körcher vertrat sogar die Auffassung, dass diese rein deklaratorische Wirkung des CDU-FDP-Entwurfs auch ausdrücklich gewollt ist, denn der Unterschied zu den Oppositionsentwürfen ist auf den ersten Blick nicht erkennbar.
Und ich füge hinzu – ja, das sehe ich auch so, denn schließlich ist Wahljahr.
Stefan Körzell, DGB Hessen-Thüringen weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass der CDU-FDP Entwurf sogar noch hinter das unter einer CDU-Alleinregierung verabschiedete Vergabegesetz aus 2008 zurück fällt.
In diesem Vergabegesetz wurde beispw. die betriebliche Erstausbildung ausdrücklich gewürdigt.
Auch Sanktionen und Nachunternehmerhaftung wurden geregelt.
Mit der FDP scheint das heute aber wohl nicht mehr möglich zu sein.
Im Gegensatz zu uns haben sie nämlich in ihrem Entwurf weder Sanktionen noch Kontrollen oder die Nachunternehmerhaftung geregelt.
Selbst der kleine Versuch in ihrem Ursprungsentwurf wurde mit ihrem Änderungsantrag von gestern wieder aufgehoben.
Aber auch das wurde in der Anhörung deutlich: Ein Gesetz, das keine Sanktionen und Kontrollen regelt, entfaltet keine Wirkung!
Wir haben in unserem Entwurf eine eigenständige Prüfbehörde wie in Hamburg und NRW vorgeschlagen.
Eine Evaluation der deutschen Vergabegesetze – übrigens vom damaligen MP in NRW Jürgen Rüttgers in Auftrag gegeben – hat die Regelungen in Hamburg ausdrücklich als das Gesetz gewürdigt, das die meiste Wirkung entfaltet.
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll macht ihre Arbeit, ist aber offensichtlich personell nicht ausreichend ausgestattet.
Auch das wurde in der Anhörung deutlich.
Und der Landesregierung ist nicht einmal bekannt, wie viele Beamte in Hessen eingesetzt sind.
Jedenfalls konnten sie meine Frage danach nicht beantworte
Wir schlagen in unserem Entwurf vor, dass der Auftragnehmer für seine von ihm beauftragten Nachunternehmer und die Einhaltung der Vorgaben haftet.
CDU und FDP haben diese Regelung als mittelstandsfeindlich und als unverhältnismäßig bezeichnet.
In der Anhörung ist deutlich geworden, dass diese Position nicht nachvollziehbar ist.
Im Zivilrecht ist, ohne dass es bisher als unverhältnismäßig angesehen wurde, die Einstandspflicht für einen Erfüllungsgehilfen anerkannt ist.
„Wieso sollte das im Vergaberecht anders zu beurteilen sein?“ fragte Rechtsanwalt Körcher.
Besonders interessant fand ich die Position, die der Vertreter der Handwerkskammern bezogen hat.
Er hat den CDU-FDP Entwurf ausdrücklich gelobt – ich habe nichts anderes erwartet.
Und er wies ausdrücklich darauf hin, dass er eine differenzierte Stellungnahme abgegeben hat.
Das hat mich nun doch gewundert, denn die Position aller drei Vizepräsidenten der Arbeitnehmerseite in den Handwerkskammern blieb vollkommen unerwähnt.
Die drei Vizepräsidenten der Arbeitnehmerseite fordern in einer Pressemitteilung ein Vergabegesetz, das die Interessen der abhängig Beschäftigten so weit wie möglich schützt und einen fairen Wettbewerb ermöglicht.
Ein Wettbewerb um öffentliche Aufträge, der auf Lohndumping statt auf Innovation und Leistung beruht, ist nicht gewollt.
Diesen Anspruch erfüllt der CDU-FDP Entwurf offensichtlich nicht!
Heinrich Stang, Vizepräsident der Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main wird zum Gesetzentwurf der Regierungskoalition wie folgt zitiert: “Dieser Gesetzentwurf ist ein Schlag ins Gesicht der arbeitenden Menschen in Hessen und er trifft das ehrliche hessische Handwerksunternehmen.
Die Einhaltung von sozialen Standards wird stark beschnitten und im Gesetzentwurf wird ausdrücklich festgestellt, dass es keine allgemeinen Tariftreueregelungen gibt.
Nachunternehmen müssen keine Kontrollen fürchten. Es gibt kein anderes Bundesland, das in den vergangenen fünf Jahren ein so arbeitnehmerfeindliches Vergabegesetz erlassen hat.
Auf diesem Weg können Unternehmen öffentliche Aufträge erhalten, die ihr Beschäftigten ausbeuten und sich auf diesem Weg bereichern.“ Zitatende!
Dem ist nichts mehr hinzu zufügen.
Nach unserer Auffassung kommt der öffentlichen Hand bei der Vergabe von Aufträgen eine besondere Bedeutung zu, weil sie
a. Eine erheblich Marktmacht hat und
b. Auch eine wichtige Vorbildfunktion
Zum Schluss möchte ich auf die Position unseres Datenschutzbeauftragten Prof. Ronellenfitsch eingehen, der ebenfalls Prozesse vor dem EUgH und anderen Gerichten in Vergabesachen geführt hat.
Prof. Ronellenfitsch „ärgern Totschlagargumente wie vergabefremde Kriterien und Bürokratieabbau“.
Er fordert überschaubare und transparente Regeln.
Deswegen ist es nach seiner Auffassung zulässig, Kriterien aufzustellen, die nach seiner Auffassung nicht vergabefremd sind, sondern das öffentliche Wohl konkretisieren.
Das haben wir als Sozialdemokraten in unserem Gesetzentwurf getan.
Und ich bin sehr davon überzeugt, dass unser Entwurf Mitarbeiter und Unternehmen, die fair entlohnen vor Lohndumping und Schmutzkonkurrenz schützt – der CDU-FDP-Entwurf ganz offensichtlich nicht tut!