63 Straßenbauprojekte durch Untätigkeit vor dem Aus

Zwischen den Regierungsparteien in Wiesbaden hat es in der Frage über die richtige Verkehrspolitik ordentlich gekracht. Minister Al-Wazir hat im Handstreich im Straßenbau die Verschiebung von 63 bereits zugesagten Projekten seines Vorgängers Rentsch wegen mangelnder Finanzausstattung auf den Sankt Nimmerleinstag bekannt gegeben. Das löste eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen Vorgänger Rentsch und Amtsinhaber Minister Al-Wazir aus. Der neue Minister erhebt Schuldvorwürfe gegenüber dem Vorgänger, der Vorgänger weist das zurück und kritisiert den Nachfolger. Wäre der Sachverhalt, um den es geht, nicht so ernst, könnte man sich einfach amüsiert zurücklehnen.

Die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger, die meist viele Jahre auf die Realisierung der Umgehungsstraße zu ihrem Schutz vor Lärm gewartet haben, werden sich sicherlich mit Kopfschütteln abwenden. Die Betroffenen erwarten mit Recht Aussagen darüber, wie es denn nun weitergeht und wie die Landesregierung mit den bereits versprochenen Projekten zukünftig umgehen will.

Im Ergebnis steht unter Schwarz-Grün weniger Geld für den Landesstraßenbau zur Verfügung als vorher. Das ist genau das Gegenteil dessen, was vor der Wahl versprochen wurde. Und genau das muss nun den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern, die von diesen Streichungen betroffen sind, erklärt werden.

Was jedoch dem Betrachter verwundert ist das Verhalten einer Partei in Wiesbaden, die in der Auseinandersetzung bisher erstaunlich ruhig geblieben ist. Warum? Weil der Amtsinhaber Ministers Al-Wazir überhaupt nichts unternommen hat, um den vermeintlichen Fehler der Unterfinanzierung der 63 Straßenbauprojekte des Vorgängers zu korrigieren.

In der Debatte über den Nachtragshaushalt wurde nun deutlich, dass die Chance bestanden hätte, die Fehler der vorherigen Regierung zu korrigieren und die Finanzmittel für die 63 Straßenbauprojekte bereit zu stellen. Doch nichts ist passiert. Durch die Untätigkeit der Landesregierung ist mittlerweile so viel Zeit verstrichen, dass die Mehrzahl der 63 Projekte, selbst bei Bereitstellung der Mittel, nicht mehr umgesetzt werden könnten. Das hat der zuständige Minister im Ausschuss so erklärt. So kann man durch Nichtstun Fakten schaffen.

Die Regierungsparteien haben nichts unternommen, um den vermeintlichen Fehler zu korrigieren. An dieses Fehlverhalten werden wir im Hessen-Land auch immer wieder erinnern. Das Wahlversprechen, jährlich 100 Millionen Euro für den Straßenbau in Hessen zur Verfügung zu stellen, wurde bereits im ersten Regierungsjahr gebrochen. Dass die Grünen im Straßenbau kürzen, überrascht schließlich niemanden so richtig. Dass die andere Regierungspartei dabei aber tatenlos zusieht, wird sehr wohl im Land wahrgenommen.

Noch im vergangenen Jahr mussten wir uns im Hessischen Landtag den Vorwurf anhören: „Rot-Grün plant den verkehrspolitischen Kahlschlag“. Uns wurde vorgeworfen, wir wollten mit den Änderungsanträgen zum Landeshaushalt 2013/2014 die Mittel für den Landesstraßenbau um 35 Millionen Euro kürzen.

Heute brauchen Grüne noch nicht einmal einen Änderungsantrag dafür, das haben die einfach so gemacht. Der Koalitionspartner steht schweigend daneben und nimmt seine Verantwortung nicht wahr.

Den Antrag, den die Regierungsparteien dem Landtag vorgelegt haben, ist ein Baustopp im Landesstraßenbau auf kaltem Wege. Zukünftig soll der Bau von Ortsumgehungen vor allem mit der Maßgabe des Lärmschutzes fortgesetzt werden. Hätten wir von der SPD im letzten Jahr einen solchen Antrag gestellt, wäre uns empört der Vorwurf von Schwarz-Gelb gemacht worden, wir wollten den Landesstraßenbau ruinieren.

Die betroffenen Menschen vor Ort fühlen sich von der Landesregierung zu Recht im Stich gelassen. Die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger, die meist viele Jahre auf die Realisierung der Umgehungsstraßen zu ihrem Schutz vor Lärm gewartet haben, werden weiterhin mit dem Straßenlärm leben müssen.