Deutschförderung für Flüchtlinge durch reaktivierte Pensionäre

Das Thema der FZ-Redaktion: „Start des neuen Schuljahres in Hessen: Pensionierte Lehrer reaktivieren, um Deutschförderung für Flüchtlinge zu stemmen“, habe ich mit Lehrerinnen und Lehrern diskutiert. Ihre Meinung war einhellig: „Sicher lassen sich einige pensionierte Lehrer reaktivieren, um Flüchtlingskinder in Deutsch zu unterrichten. Aus vielerlei Gründen kann die gewaltige Aufgabe der Deutsch-Förderung für eine so große Zahl von Flüchtlingskindern nicht mit reaktivierten Pensionären „gestemmt“ werden. Wer das glaube, habe die ganze Dimension der der Aufgabe, Flüchtlinge in Hessen zu integrierenden, noch nicht begriffen.

Ministerpräsident Volker Bouffier rechnet nach geltendem Verteilerschlüssel in diesem Jahr mit einer Zuweisung von ca. 70.000 Flüchtlingen in Hessen. Das bedeutet, ca. 23.000 Flüchtlingskinder müssen dieses Jahr zusätzlich beschult werden. Sicher, ein gewaltiger Kraftakt, den es zu stemmen gilt!

Nach Meinung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel müssen Flüchtlingskinder schnellstmöglich eingeschult werden. „Eine Schulpflicht für sie gilt in jedem Fall nach drei Monaten.“ Es gehe darum, dass alle zugewanderten Kinder möglichst schnell und entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten in den Regelunterricht wechseln können. „Je früher und intensiver die Deutschförderung ist, desto größer sind die Chancen für die Kinder.“ Sein bildungspolitisches Leitmotiv lautet: „Die Bildung eines Kindes darf nicht von seiner sozialen Herkunft (Flüchtlinge!) abhängig sein. Dazu müssten mehr Ganztagsschulen, mehr Schulsozialarbeit und eine verbesserte Lehrerbildung Schritt für Schritt auf den Weg gebracht werden. Dieser Forderung stimme ich aus ganzen Herzen zu.

Darauf sind die Schulen aber nicht vorbereitet. So beklagen sich Lehrkräfte völlig zu Recht darüber, dass sie im Umgang mit traumatisierten Kindern nicht ausgebildet wurden. Schulen benötigen dringend multiprofessionelle Teams aus Lehrern, Sozialarbeitern und Psychologen. Doch die Anzahl der Schulpsychologen wurde erst kürzlich reduziert und die Finanzierung der Schulsozialarbeiter ist vom guten Willen der meist finanziell schwach ausgestatteten Gemeinden abhängig.

Auch die Lehrerversorgung ist nach Ansicht des Landeselternbeirats Hessen und der hessischen Schülervertretung nicht ansatzweise geklärt. „So hat das Kultusministerium Ende April für Deutschfördermaßnahmen 210 zusätzliche Stellen angekündigt. Diese Stellen werden allerdings nicht neu geschaffen, sondern von den Grundschulen und den Oberstufen abgezogen, was zu massiven landesweiten Protesten von Schülern, Eltern und Lehrkräften geführt hat.“

Im April ging man jedoch von völlig anderen als die heute vorliegenden Zahlen aus. Daher plant die schwarz-grüne Landesregierung die Stundenzahl der für Flüchtlinge und andere Emigranten vorgesehenen Intensivklassen zu kürzen und somit an der Qualität der Schulausbildung für Flüchtlingskinder zu sparen. Dabei fordern Fachleute eine Vollzeitbeschulung von Flüchtlingskindern, um diese so schnell wie möglich in den Regelschulunterricht integrieren zu können. Nach einem Jahr der Ganztagsförderung könnte das Ziel erreicht werden.

Die Forderung der Eltern- und Schülerräte nach einer Willkommenskultur für Flüchtlinge, die auch die Beschulung umfasst, unterstütze ich. Ein gegenseitiges Ausspielen von Schülerinnen und Schülern durch Umverteilung von Lehrerstellen ist sicherlich nicht geeignet, diese Willkommenskultur für Flüchtlinge zu etablieren.

Die Experten sind sich heute weitgehend darüber einig, dass mit einem Abflachen der Flüchtlingswelle kurz- und mittelfristig nicht zu rechnen ist. Große Herausforderungen erfordern neben intelligenten Lösungsansätzen auch eine entsprechende personelle Ausstattung.
Schnelles Erlernen der deutschen Sprache und eine gute Bildung sind die richtigen Schlüssel für den Einstieg in die Arbeitswelt und damit für eine gelungene Integration.