
Lehrplan der großen Religionen könnte in Deutschland die Islamisierung und Radikalisierung abwehren
Ist die Türkisch-Islamische Union für Religion (DITIB) wegen ihrer engen Verbindung zu den Mächtigen der Türkei noch als Partner für den Islamunterricht in Hessens Schulen geeignet? Der Leiter des Fachbereiches Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Professor Dr. Abdel-Hakim Ourghi, und Professorin Dr. Susanne Schröter von der Goethe-Universität Frankfurt, beantworten diese Frage mit einem klaren Nein! Die Hessische Landesregierung hält dagegen unbeirrt aller Kritik an DITIB fest.
Professor Ourghi schreibt in seinem Gutachten: DITIB untersteht der Kontrolle der Regierung in Ankara und "verfolgt in Deutschland religiöse und politische Ziele". In den Schulen in Hessen wird deshalb für Professor Ourghi ein sehr konservativer Islam gelehrt, was angesichts der engen Bindung und finanziellen Unterstützung von DITIB aus Ankara kein Wunder sei. Kritische Suren des Korans die zur Gewalt auffordern würden ausgespart. Dabei gehe es um Suren, die den Kampf gegen die "Ungläubigen", also gegen Nicht-Muslime propagierten. Mit diesen Koranversen legitimieren die Islamisten des sogenannten Islamischen Staates ihre Taten". Gewalt-Verse müsste man im Unterricht thematisieren, um sie gleichzeitig zu entkräften, so Ourghi.
Auch das Frauenbild im Islam sieht der Freiburger Professor im hessischen Unterricht zu unkritisch behandelt. Im Koran würden Männer über die Frauen gestellt, Polygamie legitimiert oder das Schlagen von Frauen erlaubt.
Professorin Dr. Susanne Schröter von der Goethe-Universität Frankfurt teilt die Meinung von Professor Ourghi. Progressive Muslime würden die Auseinandersetzung mit dem Frauenbild des Islam und der Gewaltfragen nicht scheuen, sagt Schröter und kritisiert zudem den zweiten Partner Hessens für den Islamunterricht, die Ahmadiyya-Gemeinde, die für eine strikte Geschlechtertrennung stehe und versuche, diese Haltung islamisch zu fundamentieren. Islamunterricht an deutschen Schulen sei wichtig, sagen Schröter und Ourghi übereinstimmend. Er könne, je nach Gestaltung, integrativ wirken. Aber an den deutschen Schulen habe man die falschen Partner gewählt.
Hessen ist das Bundesland, das den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt hat. Die beiden Religionsgemeinschaften DİTİB Landesverband Hessen e.V. und Ahmadiyya Muslim Jamaat in der Bundesrepublik Deutschland e.V. erfüllen nach Meinung der Hessischen Landesregierung die Voraussetzungen für den islamischen Religionsunterricht.
Hessens Kultusminister Alexander Lorz ist das Gutachten von Professor Ourghis und Schröter bekannt. Ihre Kritik habe sich jedoch nach juristischer und schulfachlicher Prüfung als nicht stichhaltig erwiesen.
Für mich ergibt sich aus den Analysen der beiden Wissenschaftler die Forderung, dass wir nur die islamisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten und den Islamunterricht an den Schulen unterstützen sollten, in denen die islamische Tradition selbstkritisch reflektiert wird. Durch diese Unterstützung würden wir auch die muslimischen Partner gewinnen, die sich am Aufbau einer weltoffenen und toleranten demokratischen Gesellschaft beteiligen wollen.
Parallel dazu ist für mich die Begegnung und der Austausch der drei großen Weltreligionen, Christentum, Judentum und Islam in Deutschland wichtig. Denn ich bezweifle, dass durch den derzeitigen islamischen Religionsunterricht in Deutschland das Verständnis für das Christentum entwickelt wird. Es müsste gemeinsam ein Lehrplan mit Schwerpunkt für Toleranz und gegenseitigem Verständnis der in Deutschland etablierten Religionen entwickelt und ein regelmäßiger Gedankenaustausch zwischen christlichen, jüdischen und islamischen Theologen sichergestellt werden.
Ich bin überzeugt: ein Lehrplan der drei großen Religionen mit diesen Inhalten könnte in Deutschland die Islamisierung und Radikalisierung abwehren und es den Muslimen in unserer Gesellschaft ermöglichen, hier ihre Heimat zu finden.