Kolumne in der Fuldaer Zeitung
Die Landesregierung von CDU und Grünen will bei Verdacht von Straftaten mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger durchsetzen. Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes Hessen könnte ein auffälliges Äußeres oder unkonventionelles Verhalten schon ausreichen, um ins Visier des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) zu geraten. Bisher galt der Grundsatz, verhält sich ein Bürger angepasst und unauffällig, kann er davon ausgehen, dass er nicht erfasst, nicht überwacht, nicht gerastert und nicht durchleuchtet wird. Das will die Landesregierung ändern.
Nach dem neuen Gesetz könnte das LfV den intimsten Bereich des Onlineverkehrs der Bürgerinnen und Bürger überwachen, Daten durchsuchen, speichern, löschen und sogar verändern. Das Recht, in den privaten Computer einzudringen und die Nachrichten zu verändern, die dort geschrieben werden, ist verfassungswidrig!
Hat eine Bürgerin oder ein Bürger den Verdacht vom LfV observiert worden zu sein und fordert darüber Auskunft, stehen sie vor einer schier unüberwindbaren Hürde. Die Betroffenen müssen zunächst einmal schriftlich ausführlich ihr besonderes Interesse begründen, weshalb sie Auskunft vom LfV haben wollen. Mit dieser Forderung werden die Betroffenen um ihr verfasstes Grundrecht auf uneingeschränkte Informationen zu ihrer Person beraubt. Es kann nicht sein, dass die Auskunftsrechte der Bürgerinnen und Bürger derart beschränkt werden. Das ist verfassungswidrig!
Den vorgelegten verfassungswidrigen Gesetzentwurf begründet die Landesregierung von CDU und Grüne mit besseren, moderneren Eingriffsbefugnissen des LfV im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität. Aber zu welchem Preis? Wie weit sind wir denn noch von einem Überwachungsstaat weg und was macht das mit uns als Gesellschaft, wenn es keine Privatsphäre mehr gibt, wenn jeder ausgeforscht werden kann?
Der Gesetzentwurf erweckt für mich auch den Eindruck, dass CDU und Grüne den Verfassungsschutz und seine geheime Arbeit vor den gewählten Volksvertretern verstecken wollen. CDU und Grüne würden mit ihrer Landtagsmehrheit alleine entscheiden, wer überhaupt der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz (PKV) angehören darf. Die PKV-Mitglieder bekommen keinen Zutritt zu den Büros des Verfassungsschutzes, außer, wenn sie nach Anmeldung Akten einsehen wollen. Sie dürfen Mitarbeiter des LfV nicht befragen und die Mitarbeiter dürfen sich mit Beschwerden nicht an die PKV wenden. Eine funktionierende Kontrolle des Verfassungsschutzes durch die gewählten Volksvertreter ist nahezu unmöglich.
Nach der Durchsicht des verfassungswidrigen Gesetzentwurfs fordere ich für den geheim arbeitenden Verfassungsschutz in Hessen eine wirksame parlamentarische Kontrolle. Alle Fraktionen müssen in der parlamentarischen Kontrollkommission vertreten sein, alle Mitglieder der Kommission müssen uneingeschränkten Zutritt zu den Dienststellen des Verfassungsschutzes haben und die Mitarbeiter der Abgeordneten an den Sitzungen der Kontrollkommission teilnehmen dürfen. Zudem ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes direkt an die Kontrollkommission mit Beschwerden wenden können.
Insbesondere bei dem verdeckt arbeitenden LfV müssten die gewählten Volksvertreter alle laufenden Maßnahmen überprüfen können. Der hessische Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit genug Belege dafür geliefert, dass mehr Kontrolle dringend erforderlich ist.
Für mich ist wichtig, dass „Vertrauensleute“ (V-Leute) beim Verfassungsschutz nur innerhalb von klaren Grenzen eingesetzt werden dürfen. Und es ist sehr genau festzulegen, wer überhaupt als V-Person in Frage kommt.
Dass eine solche verfassungswidrige Gesetzesänderung in einem demokratischen Land wie Hessen durch die Landesregierung von CDU und Grünen Gesetz werden soll, hätte ich nicht für möglich gehalten.