Statement zum Kommentar auf www.osthessen-news.de „Quo vadis SPD? Absturz der SPD ins Tal der Bedeutungslosigkeit ist ein Verlust“

„Selbstverständlich ist ein Kommentar dazu gedacht, dass eine Redakteurin oder ein Redakteur die eigene Meinung zu einem Thema veröffentlicht. Allerdings sollte es, wie bei jedem anderen Beruf auch, so etwas wie eine Berufsehre geben. Für einen Redakteur gehört dazu eine gute Recherche. Oder um es umgangssprachlich zu sagen: Es sollte doch irgendwie alles Hand und Fuß haben und nicht einfach aus der Luft gegriffen sein.

Leider ist das in dem Kommentar von Osthessen-News Chefredakteur Christian P. Stadtfeld „Quo vadis SPD? Absturz der SPD ins Tal der Bedeutungslosigkeit ist ein Verlust“ so geschehen.

Herr Stadtfeld, zunächst einmal stimmt es, dass das Landtagswahlergebnis der SPD in Hessen eine Katastrophe ist. Da gibt es auch nichts schön zu reden und eines können Sie mir glauben: Das tun wir in der SPD Hessen auch nicht. Auch wenn Sie es behaupten, Herr Stadtfeld, würde mich interessieren, wo Ihre Belege dafür sind, dass die SPD die verlorene Wahl „weg ignoriert“.

Eine Frage: Warum fordern Sie eigentlich keinen Rücktritt von Herrn Al-Wazir von den Grünen oder Herrn Naas von der FDP? Ich sage es Ihnen: Weil es aktuell keinen Grund dafür gibt. Aber Nancy Faeser soll Ihrer Meinung nach zurücktreten, von allen Ämtern und möglichst sofort.

Mein lieber Herr Stadtfeld, haben sie sich überhaupt eine Sekunde die Mühe gemacht, die Bilanz von Nancy Faeser als Innenministerin anzuschauen? Mit ihrem Kommentar und der Behauptung, die Asyl-Politik sei gescheitert, tragen sie nicht zur Wahrheitsfindung, sondern zur Vergiftung der Gesellschaft bei. Ihre Forderung nach einem Rücktritt ist inhaltsleer und fördert eine Kultur der politischen Erbarmungslosigkeit. Das sollte ein Journalist besser können.

Nancy Faeser hat bereits in der ersten Hälfte der Legislaturperiode deutlich (!) mehr umgesetzt als ihre Vorgänger oder Kabinettskollegen. Sie setzt um, wo andere Bundesinnenminister sich in der Vergangenheit die Zähne ausgebissen haben: Sie geht konsequent gegen Rechtsradikale vor und hat den Mut bewiesen, zahlreiche extreme Organisationen endlich zu verbieten oder wie die Tage geschehen entschlossen gegen Hamas-Unterstützer vorzugehen. Sie hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht, ein Entwurf für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Tisch gelegt. Sie hat auf europäischer Ebene einen Kompromiss zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ausgehandelt. Außerdem ist Ihre Behauptung, Nancy Faeser widme sich lieber der SPD Hessen, statt die Grenzen im europäischen Raum abzusichern schlichtweg gelogen. Lesen Sie die Nachrichten der vergangenen Tage! Das könnten Sie also wissen, wenn Sie es wissen wollten.

Herr Stadtfeld, Ihnen muss als Chefredakteur doch klar sein, dass bei der (wie sie schreiben) „gescheiterten Migrationspolitik“ keine einfachen oder kurzfristigen Lösungen gibt. Dennoch befeuern Sie das in Ihrem Kommentar und belügen damit Ihre Leserinnen und Leser. Wissen Sie überhaupt, was der Unterschied zwischen Asyl, Flucht und Migration ist? Dann würden Sie vielleicht anders mit Begrifflichkeiten umgehen.

Nancy Faeser größter Fehler während des Wahlkampfes war es, dass sie ihre Erfolge als Innenministerin in Berlin nicht besser kommuniziert hat. Aber vielleicht wollten das viele auch einfach nicht mitbekommen.

Noch vier Punkte, die ich in Ihrem Kommentar richtigstellen möchte:

Erstens: Auch wenn es sich für Sie besser anhört, hat Nancy Faeser ihr Direktmandat in ihrem Wahlkreis nicht verloren, denn er ist seit seiner Gründung fest in der Hand der CDU. Folglich hat sie kein Landtagsdirektmandat, dass sie verlieren könnte. Der ähnlich wie in Fulda stark CDU-geprägte Wahlkreis war bis 2010 übrigens der Wahlkreis von Roland Koch. Aber das haben Sie ja sicherlich vorher recherchiert.

Zweitens: Die SPD ist nicht in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Wir stellen den Bundeskanzler, sind in 12 von 16 Bundesländern an der Regierung beteiligt und haben ganz nebenbei auch am Tag der Landtagswahl Bürgermeisterwahlen gewonnen, bzw. sind mit SPD-Kandidatinnen und Kandidaten in die Stichwahl gekommen. Bedeutungslosigkeit sieht anders aus.

Drittens: Es ist üblich, dass die Parteivorsitzenden die Verhandlungen über mögliche Koalitionen anführen. Sie können ja in die SPD eintreten und beim nächsten Mal unsere Vorsitzende mitwählen oder selbst antreten. Denn wer einer Partei vorsteht, entscheiden glücklicherweise immer noch die Parteien selbst und unsere Landesvorsitzende heißt aktuell Nancy Faeser.

Viertens: Wir haben keine hundertjährige Führungsrolle, sondern die SPD gibt es seit 160 Jahren – auch wenn wir ein paar Jahre durch die Nationalsozialisten verboten waren, gab es uns im Untergrund weiter.

Die SPD ist eine der Verliererinnen bei der Landtagswahl in Hessen. Nicht das erste Mal. Es wurden handwerkliche Fehler im Wahlkampf gemacht und der Bundestrend spielte gegen SPD, Grüne, FDP und Linke. Darüber reden wir aktuell in allen Gremien und werden auch die nötigen Schlüsse daraus ziehen.

Beunruhigender finde ich jedoch das Erstarken der AfD und die möglichen Gründe hierfür. Das sehe ich mehr in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang.

Ich gehe nach bald über 20 Jahren als Landtagsabgeordnete in den Ruhestand. Kritik an dieser Arbeit gehört immer dazu und kann auch beflügeln. Aber ich wünsche allen zukünftigen haupt- und ehrenamtlichen Abgeordneten weniger Erbarmungslosigkeit, wie in dem kaum recherchierten Kommentar von Herrn Stadtfeld und mehr Mitarbeit an einer lebensbejahenden, demokratischen Gemeinschaft. Es sind nicht immer nur die Regierenden oder das politische Personal, die verantwortlich für eine Verbesserung der Gesellschaft zum Guten sind. Der Staat sind wir alle und gestalten ihn folglich auch alle mit! Lasst uns besser miteinander umgehen.

Ich erwarte, dass nach dem Kommentar von Herrn Stadtfeld meine Gegendarstellung auf www.osthessen-news.deveröffentlicht wird.“